Gesprächsrunde zum Thema Asylrecht bei Weitblick

Maria Wahlbuhl
Lun, 11. Nov 2013

Vortrag zum Asylrecht
-Gisela Seidler-
Im Juni diesen Jahres campierten Menschen aus dem Iran, Äthiopien und weiteren Ländern mehrere Tage am Münchner Rindermarkt. Sie aßen nichts und stellten nach einigen Tagen auch das Trinken ein. Unter ihnen war eine schwangere Frau, einige Eltern hatten ihre Kinder dabei. Die Streikenden waren Asylbewerber, die die Anerkennung ihrer Asylanträge in Deutschland forderten. Die Verhandlungen und Gespräche blieben jedoch zum großen Teil ergebnislos. Schließlich wurde das Lager geräumt, da Lebensgefahr für die Asylbewerber angenommen wurde. Mit dieser Aktion kam wohl eine Vielzahl von Leuten, die sich bisher nicht mit dieser Materie auseinandergesetzt hatte, in Kontakt mit der Thematik des Asylrechts.
Wie sich dieses Recht in Bayern ausgestaltet und was für Auswirkungen das auf die tatsächlichen Lebensbedingungen der Betroffenen hat, erzählte Gisela Seidler uns im Rahmen eines Gesprächskreises. Gisela Seidler ist Fachanwältin für Asyl- und Ausländerrecht und seit 1996 in diesem Bereich tätig.
Asylverfahren
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht, § 16a Abs. 1 GG. Das Asylverfahren beginnt mit einem Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Antragstellenden werden in Erstunterkünften untergebracht. Die Aufenthaltszeit hier soll nicht länger als drei Monate betragen, die Realität sieht jedoch oft anders aus. Im Rahmen des Asylverfahrens erfolgt eine Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in denen die Gründe des Betroffenen für seinen Asylantrag erfragt werden. Problematisch hierbei sei laut Frau Seidler, dass die aufnehmenden Beamten oft aus verschiedenen Bereichen kommen und keine substantiierte Ausbildung im Gebiet des Asylrechts besitzen. Zudem erwiesen sich die Übersetzerqualitäten der anwesenden Dolmetscher teilweise als unzureichend, so dass der Sinngehalt der Aussage mitunter eine völlig andere Note bekomme. Gleichwohl bleiben die Asylsuchenden im weiteren Verfahren an das in dieser Anhörung Niedergeschriebene gebunden. Immer wieder in Frage gestellt wird die Glaubwürdigkeit der Antragstellenden. Während es noch nachvollziehbar sein mag, dass offensichtliche Widersprüche diese Glaubwürdigkeit ins Wanken bringen, erschließt es sich weniger, dass auch das Fehlen solcher Widersprüche, das mitunter ebenfalls als „Lüge“ ausgelegt wird, den Betroffenen zum Nachteil gereichen kann. So können beispielsweise als „zu gut“ eingestufte Deutschkenntnisse des Asylbewerbers die Zuständigen dazu veranlassen, dessen vorgetragene Geschichte in Zweifel zu ziehen. Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach dem Asylverfahrensgesetz ist gem. § 12 I AsylVfG (Asylverfahrensgesetz) ein Ausländer, der das 16. Lebensjahr vollendet hat. Werden Kinder als Flüchtlinge anerkannt, dürfen deren Eltern nachkommen. Als besonders problematisch beschrieb Frau Seidler auch die Abhängigkeit von den Richtern, deren Umgang mit den oft nicht bis ins letzte Detail aufklärbaren Geschichten sich sehr unterschiedlich darstellt. So lehnen manche beinahe jeden Asylantrag ab, andere entscheiden im Zweifel zugunsten des Flüchtlings. Engagierte Richter kümmern sich um weitere Beweismittel, wie etwa in Form eines Lageberichts des Auswärtigen Amtes. Aufgrund der Vielzahl der von jedem Richter zu entscheidenden Fälle ist entsprechender Einsatz jedoch nicht die Regel. Verschärft wird die Lage im Asylverfahren durch die zunehmende Abschaffung von Rechtsmitteln aus Kostengründen, welche laut Frau Seidler dringend gestoppt werden müsse.
Lebensverhältnisse
Die Asylsuchenden werden in ganz Bayern umverteilt. Auf das eventuelle Vorhandensein von Verwandten, Bekannten oder Freunden sowie einen vielleicht schon begonnenen Schulbesuch wird hierbei keinerlei Rücksicht genommen. Untergebracht sind die Menschen in Gemeinschaftsunterkünften mit bis zu acht Personen in einem Zimmer. Theoretisch sollen jedem Bewohner sieben Quadratmeter zur Verfügung stehen. Die Realität sieht jedoch meist beengter aus. Für Flüchtlinge im Asylverfahren besteht eine Residenzpflicht, das heißt, sie dürfen den Landkreis, in dem sich ihre Flüchtlingsunterkunft befindet, nicht verlassen. Ein Bruch dieser Regelung bedeutet beim ersten Mal eine Ordnungswidrigkeit, beim zweiten Mal eine Straftat. Auch eine geringe Geldstrafe ist für einen Asylbewerber aber kaum zu begleichen. Bis zum Jahre 2012 mussten Asylsuchende mit monatlich 80 DM, später dann ca. 40 Euro auskommen. 2012 urteilte der BGH, dass sich die Leistungen für die Flüchtlinge künftig an denen für Hartz-IV-Empfänger orientieren müssen, da schon diese Leistungen nicht über die Sicherstellung eines absoluten Existenzminimums hinausgingen. Ein Teil dieser Leistungen kann dabei auch weiterhin in Sachleistungen, das heißt Essens- und Hygienepaketen bereitgestellt werden. Dies führt bei vielen Betroffenen zu zusätzlichen, unnötigen Einschränkungen. Die gelieferten Essenspakete enthalten oftmals minderwertiges Essen, welches sich nah am Ablaufdatum befindet. Quasi unmöglich ist die Identifizierung dieser Daten oder der entsprechenden Inhaltsstoffe, wenn die Beschriftung auf einem Joghurt nur auf Tschechisch angegeben ist. Die Hygienepakete enthalten festgelegte Artikel. Frauen beispielsweise können nicht entscheiden, ob Sie Binden oder Tampons benutzen möchten. Warum diese Praxis in Bayern fortgeführt wird und nicht, wie dies in anderen Bundesländern der Fall ist, statt der Pakete Geld oder entsprechende Gutscheine ausgegeben werden, ist fraglich, zumal die Versorgung der Flüchtlinge durch Pakete teurer ist als die genannte Alternative. Frau Seidler berichtete von einem jungen Mädchen, welches aufgrund des Mangels an Flüchtlingsunterkünften in einer Pension untergebracht war. Hier wurde das Essen bereitgestellt und die Essenszeiten waren vorgegeben. Das Mädchen musste sich so regelmäßig zwischen ihrem Mittagessen und der Teilnahme am Unterricht in der Berufsschule entscheiden.
Medizinische Versorgung
Gleichsam dürftig stellt sich die medizinische Versorgung dar. Behandelt werden dürfen gem. § 4 Abs. 1 S. 1 AsylbLG (Asylbewerberleistungsgesetz) nur „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“. Das Ziel der Kostenminimierung in der Behandlung kann dazu führen, dass ein Zahn nicht gefüllt, sondern gleich gezogen wird. Eine Behandlung psychischer Leiden der oftmals schwer traumatisierten Flüchtlinge ist nicht vorgesehen. Eine solche Behandlung wird zwar von Organisationen wie „Refugio“ angeboten, doch beträgt auch hier die Wartezeit auf einen Platz ungefähr ein Jahr.
Arbeitsmöglichkeiten und Deutschkurse
Eine schwerwiegende Belastung stellt für viele Asylbewerber die erzwungene Untätigkeit dar. Gelingt es ihnen, eine Arbeitserlaubnis zu erlangen und einen möglichen Arbeitgeber zu finden, muss dieser eine sogenannte „Vorrangprüfung“ durchführen. Findet er einen Deutschen oder EU-Bürger für den entsprechenden Job, ist dieser dem Flüchtling grundsätzlich vorzuziehen. Auch die Integration durch Sprache steht nicht jedem unmittelbar offen. Deutschkurse werden für Asylbewerber bis zum 26. Lebensjahr angeboten. Wer älter ist, hat nur die Chance, Unterricht durch eine entsprechende Organisation oder private, ehrenamtlich Helfer zu erhalten.
Politik
Frau Seidler beschrieb uns, wie mühsam und ergebnisarm sich Engagement in der Flüchtlingspolitik oft darstelle. Jedoch gebe es auch immer wieder Verbesserungen und Erfolge, die die Mühen bestätigen. So sind nun zusätzliche, speziell Frauen betreffende Gründe für Asyl anerkannt, beispielsweise Zwangsheirat und Beschneidung. Auch die Verfolgung aufgrund von Homosexualität stellt nun einen Asylgrund dar.
Zukunftsaussichten
Ein zentrales Fernziel sei natürlich in der Verbesserung der Lebensbedingungen in den Heimatländern der Flüchtlinge zu sehen. Für die jungen, zum Teil unbegleiteten Flüchtlinge in Bayern bestehe außerdem großer Bedarf an einer besseren Betreuung und Einbindung in die Gesellschaft. Sowohl Schul- und Ausbildungsmaßnahmen als auch die psychisch-soziale Unterstützung dieser jungen Leute sind äußerst wichtig.
Was kann ich tun?
Die Thematik der Flüchtlingspolitik, rechtlicher Regelungen und deren Auswirkungen auf den Menschen, der dahinter steht, ist sehr vielschichtig und wenn man sich das erste Mal damit beschäftigt, fühlt man sich vielleicht ein bisschen orientierungs- und hilflos. Aber Hilfe muss nicht immer kompliziert sein, und unkomplizierte Hilfe ist manchmal sehr effektiv: Du kannst zum Beispiel Mentor bei dem Verein „Hilfe von Mensch zu Mensch“ werden. Das bedeutet, du lernst einen jungen Flüchtling kennen, der sich vielleicht für genau das interessiert, was du studierst. Oder ihr teilt das gleiche Hobby. Wenn ihr Zeit habt, trefft ihr euch und du hilfst ihm vielleicht bei den Hausaufgaben, sprichst mit ihm Deutsch, begleitest ihn zu Behördengängen oder nimmst ihn einfach mal mit zu einem Treffen mit Freunden. Es muss auch nicht wahnsinnig zeitintensiv sein, schon drei Stunden pro Monat können sehr hilfreich sein. Profitieren tun von dieser Sache garantiert beide Seiten. Wenn dich das interessiert, kannst du dich einfach bei Tilly melden: tillyschmidt@gmx.de.

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